Sonntag, 20. Dezember 2015

Der Wunschzettel


Der Wunschzettel


Es war einmal ein kleiner Junge, der wußte nicht, was er sich vom Weihnachtsmann wünschen sollte.
Mutter hatte ihn heute nochmals daran erinnert, endlich einen Wunschzettel zu schreiben. Schließlich ist schon in fünf Tagen Weihnachten. Aber was, zum Teufel, sollte er sich denn nur Wünschen? Ein Fahrrad? Hat er schon. Eine Spielzeugeisenbahn? Braucht er nicht. Es war ja nicht so, daß er überhaupt keine Wünsche hat. Nein, daß nun wirklich nicht. Er wünschte sich schon seit langem einen Gameboy, neue Inline-Skates, ein Paar neue Turnschuhe, aber nur die Coolen, die auch sein Freund Felix hat. Ja, und das neue Computerspiel, daß wo man seine eigene Fußballmannschaft aufstellen kann, wollte er auch unbedingt haben. Aber das waren ja viel zu viele Wünsche. Mutter hatte gesagt, man darf sich nur eine Sache vom Weihnachtsmann wünschen, sonst klingt es zu unverschämt. Nein, unverschämt wollte er nun wirklich nicht sein, schließlich geht es hier um den Weihnachtsmann. Er konnte sich einfach nicht entscheiden. Und je länger er nachdachte, um so mehr Wünsche fielen ihm ein.
In der Nacht, als er schon im Bett lag und Mutter schon längst gute Nacht gesagt hatte, dachte er noch immer über seinen Wunschzettel nach. Was, wenn ich mir das Falsche wünsche? Was, wenn ich nach 2 Tagen merke, daß ich doch lieber etwas anderes wollte? Könnte ich es dann umtauschen? Geht das überhaupt, umtauschen beim Weihnachtsmann? Wohl eher nicht, schließlich sind die Geschenke ja abgezählt. Er überlegte und überlegte und wurde immer unzufriedener mit sich selbst. Wenn er den Wunschzettel morgen nicht fertig hat, ist es zu spät. Der Brief käme nicht mehr rechtzeitig beim Weihnachtsmann an und er würde gar nichts kriegen.

Am nächsten Morgen, kurz vor dem Frühstück, hatte er die Idee. Ja, genau, das war es. Das wird er sich vom Weihnachtsmann wünschen. Das er nicht eher darauf gekommen ist. Schnell kritzelte der kleine Junge etwas auf ein Blatt, faltete dieses und steckte es in einen Umschlag. Vorne drauf schrieb er: An den Weihnachtsmann. Wunschzettel.
Dann ging er gut gelaunt zur Küche, und als ihn Mutter nach seinem Wunschzettel fragte, antwortete er: "Ich habe mir den allerbesten Wunsch ausgedacht." Und strahlte über das ganze Gesicht.

Am Weihnachtstag stand der kleine Junge schon früh auf. Er war ja so aufgeregt. Ob der Weihnachtsmann wohl an ihn gedacht hat? Ob er ihm seinen Wunsch erfüllt? Der Junge half den ganzen Tag der Mutter beim schmücken und backen. Er war lieb und höflich zu allen. Er wollte ja bloß nichts falsch machen. Jetzt, wo es so drauf ankommt. Je später es wurde, desto aufgeregter wurde der kleine Junge. Und dann am Abend, als er endlich in`s Wohnzimmer durfte, wo der festlich geschmückte Tannenbaum stand, konnte er es kaum mehr aushalten. Sein Herz pochte wie wild. Zuerst wird gesungen, dann werden die Geschenke ausgepackt, verkündete Vater. Der kleine Junge blickte aufgeregt zum Tannenbaum. Geschenke? War der Weihnachtsmann etwa schon da? Tatsächlich, dort unter den großen Zweigen, dort standen einige Päckchen, kleine und große, in glitzernder Folie eingepackt. Welches wird wohl für ihn sein? Leise sang er das Weihnachtslied mit, das seine Eltern und Geschwister schon angestimmt hatten. Nervös schaute er immer wieder zu den Päckchen, aber so sehr er sich auch bemühte, seinen Namen konnte er nirgendwo erkennen.
Endlich, die letzte Strophe war vorbei. Jetzt durften die Geschenke ausgepackt werden! Der kleine Junge suchte und suchte, aber er konnte sein Päckchen nicht finden. Seine Schwester Karla bekam eine Gitarre und klimperte gleich drauf los. Sein Bruder Max erhielt die Matchbox-Autos, die er sich so gewünscht hatte. Aber von seinem Päckchen keine Spur. Sogar für die kleine Susi, das Baby der Familie, gab es ein Päckchen. Dabei hatte sie doch bestimmt keinen eigenen Wunschzettel geschrieben.
Traurig setzte der kleine Junge sich auf die Treppe und beobachtete seine Geschwister, die lachend und singend mit ihren Geschenken so sehr beschäftigt waren, daß sie ihn gar nicht bemerkten. Plötzlich hörte der kleine Junge eine leise, helle Stimme neben sich. "He, Du, warum bist Du denn So traurig?" Der Junge erschrak und sah sich um. Da stand ein kleiner Wichtelmann, mit roter Hose, rotem Hemd und roter Zipfelmütze. "Wer bist denn Du?" fragte er erstaunt. "Na, das sieht man doch, ich bin der Helfer vom Weihnachtsmann. Aber sag schon, was stimmt dich so traurig. Heute ist doch Weihnachten, da sollten alle Kinder fröhlich sein." Der kleine Junge schüttelte den Kopf. "Aber", sagte er, "mich hat der Weihnachtsmann vergessen. Ich habe kein Päckchen bekommen." "Was? Nein, das gibt es doch gar nicht!", schrie da der Wichtelmann erbost, "Der Weihnachtsmann hat noch nie ein Kind vergessen, dafür hat er doch mich. Was hast Du Dir denn gewünscht?" Der kleine Junge sah ihn an "Wenn Du wirklich ein Helfer vom Weihnachtsmann bist, dann müßtest Du das doch wissen".
Der Wichtelmann kramte mit seinen winzigen Händchen in seiner winzigen Tasche. "Ah ja, hier ist er. Dein Wunschzettel." Der Wichtelmann hielt ein kleines Stück Papier in die Höhe. Der junge kam etwas näher. Tatsächlich! Das war sein Wunschzettel! Nur war er jetzt viel, viel kleiner. Der Wichtelmann las den Zettel und lachte laut los. "Du Dummkopf!" lachte er, "Das, was Du dir gewünscht hast, hast Du doch schon längst!" Lachend verschwand der Wichtelmann genau so schnell, wie er gekommen war. Der kleine Junge blickte zu seiner Familie, sie alle sahen so glücklich aus. Jetzt verstand er. Ja, natürlich! Er hatte es doch schon längst! Fröhlich ging er hinüber zu seinen Geschwistern und lachte, sang und spielte mit ihnen bis tief in die Nacht hinein.
Auf der Treppe aber lag ein kleiner Zettel, auf dem stand in Kinderschrift geschrieben:
Lieber Weihnachtsmann,
ich wünsche mir nichts mehr als Liebe, Glück und Freude für alle Zeit.
Dein Dennis

 

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